Krankheiten

Vortrag von Prof. Dr. med. vet. R. Hoop über Fütterung, Verdauung und Darmerkrankungen beim Kaninchen als Powerpoint (1,4 MB) oder PDF (1 MB)


Vortrag Hoop, 1 MB

Seit bald drei Jahren arbeitet Joseph Rey-Bellet aus Savièse VS als Vorstandsmitglied für den Schweizerischen Rassekaninchenzucht-Verband (SRKV). Er übersetzt für die französischsprachigen Rassekaninchenzüchter und betreut das Ressort «Bestandespflege» (Tiergesundheit). Hier seine Gedanken zur Kaninchenzucht als Anregung, über verschiedene Bereiche nachzudenken und entsprechend zu handeln.
Während der Ausstellungssaison wählt der Züchter die Tiere für die Zucht erneut aus. Das Erbgut soll beim Rammler dominant sein, so zum Beispiel betreffend Körperbau und Fellbeschaffenheit. Deshalb wird der Züchter seinen bewährten Zuchtrammler wieder einsetzen, vor allem wenn er an der Ausstellung - etwa an der Schweizerischen Rammlerschau 2003 in St.Gallen - gut abgeschnitten hat. Auch wird er jene Zibben auslesen, die bestimmte Eigenschaften zur Verbesserung der Rasse besitzen. Es gibt Leute, die nur für die Ausstellung züchten. In diesem Fall werden die Auslesekriterien mehr durch das bestimmt, was auf den Bewertungskarten steht und weniger durch das, was der Züchter unter Zuchtwert versteht.

Widerstandskraft ist wesentlich
Die Natur hat ihre eigenen Regeln, und der Rassekaninchenzüchter wird früher oder später daran erinnert. Der Begriff «Versuchskaninchen» ist nicht zufällig. Wenn es im Labor (nebst anderen Tieren) gezüchtet und gehalten wird, kann es der Mensch gestalten, wie er es wünscht. Wenn es aber mit der Aussenwelt in Berührung kommt, muss es gute Eigenschaften erlangen, die an Ausstellungen nicht unbedingt hohe Punktzahlen bringen. Im Stall des Züchters zählen die Gesundheit und die Qualitäten, die mit der Bewertung nach Standard nicht ohne weiteres erfasst werden.

Und was wollen wir für unsere Tiere? Ein wesentliches Kriterium in der natürlichen Auslese ist die Widerstandsfähigkeit, eine Qualität, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Ein schönes Fell widerspiegelt bestimmt eine gute Gesundheit, soll aber nicht künstlich mit allen Mitteln angestrebt werden. Das Kaninchen sollte sich auf eine natürliche Weise mit körpereigenen Abwehrkräften schützen können. Es soll das Immunsystem entwickeln und verschiedensten Aggressionen (Krankheitserreger, Umwelteinflüsse) standhalten können. Ein Kaninchen, das nur für eine hohe Punktzahl gezüchtet wird, wird schwächer.

Medikamente sollten nur in Ausnahmefällen und nur mit genauen Kenntnissen verabreicht werden. Wenn ein Virus isoliert wurde, kann man einen Impfstoff anbieten. Die Verabreichung eines Impfstoffes, eines Medikamentes kann sogar erforderlich sein, sich rechtfertigen. So können Krankheiten geheilt und Seuchen verhindert werden.

Rasse- oder Mastkaninchen?
Die Rassekaninchenzucht ist gemeinnützig, nicht auf Gewinn ausgerichtet. Der Konsum von Kaninchenfleisch ist von Bedeutung. Er soll reguliert werden. Die Rassekaninchenzucht soll nicht mit der gewerblichen Kaninchenmast gleichgestellt werden. Die Lebenserwartung der Tiere ist da nicht dieselbe. Die Mastkaninchenzucht entspricht einer Nachfrage, sie richtet sich nach marktwirtschaftlichen Kriterien. Rassekaninchenzüchter produzieren aber einen beträchtlichen Teil des in der Schweiz konsumierten Kaninchenfleisches. Dies ist ein zentraler Grund dafür, dass wir gesunde Tiere - auch gesunde Ausstellungstiere - züchten und halten, deren Fleisch gesund und bekömmlich ist.

Wenn wir unsere Kaninchen weiterhin in tiergerechter Haltung züchten und einem breiten Publikum gesunde und schöne Kaninchen vorzeigen können, werden wir das Vertrauen der Bevölkerung in die Rassekaninchenzucht gewinnen. Umso mehr, wenn das Kaninchenfleisch von ausgezeichneter Qualität und frei von Medikamentenspuren ist. Dies wird auch den Sektionen, Klubs und Verbänden dienen, und der SRKV wird noch stärker sein.

Was bringt die Zukunft?
Ich bin aber überzeugt, dass viel Arbeit auf uns zukommen wird, wenn wir unseren Schützlingen eine gute Lebensqualität sichern wollen. Es ist aber unbedingt notwendig, dass wir uns darüber Gedanken machen und wenn nötig handeln. Das Geld des SRKV soll auch dazu dienen. Im Übrigen ist zu hoffen, dass nur ausnahmsweise Funktionäre entschädigt werden müssen, die über Manipultionen an Ausstellungstieren und Betrügereien zur Täuschung der Experten und der Züchterkollegen zu befinden haben. Vielleicht wird eines Tages eine Ethikkommission gebildet, man denke an Stichworte wie Klonen oder Genmanipulation. Das neue Ressort - heute Bestandespflege, morgen Tiergesundheit - in der Bewältigung der SRKV-Vorstandsarbeit hat sich bewährt. Ich werde mich weiterhin bemühen, viele Informationen zur Erhaltung der Gesundheit einzuholen und weiterzugeben. Der gute Kontakt mit dem Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) und mit Wissenschaftlern der Universität Zürich ist eine grundlegende Voraussetzung auf dem Weg zur Erhaltung der Gesundheit, zur Bekämpfung verschiedenster Kaninchenkrankheiten und für eine Haltung zum Wohl der Tiere.

Die Kaninchenausstellungen sind unsere Visitenkarte. Wenn die Gesundheit unserer Rassekaninchen nicht gewährleistet werden könnte, würde unser Hobby früher oder später darunter leiden. Ich danke allen Kleintierzüchtern, die der Gesundheit der Kleintiere einen hohen Stellenwert beimessen.

Dr. Joseph Rey-Bellet
SRKV-Vorstandsmitglied

La santé de nos Lapins (PDF pour download)
Die Gesundheit unserer Rassekaninchen (Download als PDF)

Epizootische Enterocolitis - eine neue Seuche

Seit 1996 wird in Frankreich eine neue seuchenhaft auftretende Erkrankung bei Mastkaninchen beobachtet. Futterverweigerung und hohe Sterberate (bis zu 80 Prozent) bringen die Kaninchenhalter zur Verzweiflung. Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 5 Tage (Zeitraum von der Aufnahme des Infektionserregers bis zur Erkrankung) und die empfängliche Altersgruppe sind Jungkaninchen kurz nach dem Absetzen (7. bis 8. Lebenswoche).
In der Zwischenzeit wird diese Kaninchenkrankheit auch in anderen europäischen Ländern wie Italien, Deutschland und Belgien festgestellt. Dabei scheint primär die Intensivmast betroffen, in Rassekaninchenzuchten ist die Krankheit nicht weit verbreitet. In Frankreich sind gemäss neuen Umfragen in den letzten zwei Jahren rund 50 Prozent der Kaninchenmäster von der epizootischen
Enterocolitis
heimgesucht worden - dies im Gegensatz zu den französischen Rassekaninchenzüchtern.
Obwohl die Fütterung gemäss diesen Umfragen nicht entscheidend für den Ausbruch der Krankheit ist, scheint die Zusammensetzung des Futters wichtig. Positiv wirkt sich ein proteinarmes, rohfaserreiches Futter aus (Proteingehalt maximal 16 Prozent; Rohfasergehalt mindestens 20%). Auch die Rationierung (tägliche Gabe des Kombifutters, abgestimmt auf das Körpergewicht) hat einen guten Einfluss auf das Vorkommen und den Verlauf der epizootischen
Enterocolitis. Die Umfragen haben zudem gezeigt, dass auch andere Krankheiten (etwa Pasteurellose und Escherichia-coli-bedingte Erkrankungen) in Kaninchenmasten eine erhebliche Rolle spielen. Besorgniserregend ist, dass rund 50 Prozent der Mäster ihre Kaninchen ohne klare Diagnose behandeln.

Klinischer Verlauf

Dem Kaninchenzüchter fällt zuallererst die völlige Futterverweigerung auf, die ab und zu von einem aufgeblähten Bauch und einem Zusammenkauern begleitet ist. Für die epizootische Enterocolitis typisch sind sodann das «Gluntschen» (Geräusch eines fallenden Wassertropfens beim Hochheben des Tieres), die Verstopfung, in einer späteren Phase der starke Durchfall, die hohe Sterblichkeitsrate bei Jungtieren (siehe auch Auswertung des SRKV-Fragebogens in der «Tierwelt» Nr. 41/2001) sowie das Fehlen von Fieber. Beim Abtasten des Bauches wird oft eine Verhärtung im Blinddarmbereich gefühlt.
Im fortgeschrittenen Stadium wird das Absetzen von gelatinösen Massen beobachtet. Die Krankheit kann bei der Sektion von anderen Darmerkrankungen wie Kokzidiosen und Dysenterien unterschieden werden. Auffällig sind vor allem der stark aufgetriebene Magen und Blinddarm sowie der dünnsuppige Mageninhalt.

Auslöser der Krankheit

Ausgedehnte Untersuchungen haben in der Zwischenzeit ergeben, dass das Futter nicht die direkte Ursache der epizootischen Enterocolitis ist. Viele Faktoren wie Mykotoxine (Pilzgifte), Prämixe (Futtervormischungen) und Pestizide konnten ausgeschlossen werden. Bald wurde erkannt, dass die Krankheit ansteckend und übertragbar ist. Die Krankheitsursache konnte weiter eingegrenzt werden; so zeigte sich, dass eine Behandlung mit Antibiotika kaum bis keine Wirkung zeigt, dass bei üblichen bakteriologischen Untersuchungen nicht ein klarer Zielkeim angezüchtet werden kann oder dass für Viren typische Veränderungen in bestimmten Organen gefunden werden. Dennoch ist bis heute die Krankheitsursache noch nicht bekannt. Von daher ist es auch schwierig, klare Empfehlungen abzugeben. Die im Ausland oft praktizierte Dauergabe von Antibiotika ist eindeutig als Notlösung anzusehen und führt auch langfristig nicht zum Erfolg! Zusammenhänge mit allfälligen Impfungen - in der Schweiz wurde verschiedentlich die Impfung gegen die VHK dafür verantwortlich gemacht - können eindeutig ausgeschlossen werden.

Empfehlungen

Obwohl wie bereits erwähnt die Krankheitsursache noch nicht erkannt wurde, können auf Grund der Erfahrungen im Ausland einige Empfehlungen abgegeben werden.
· Fütterung optimieren (insbesondere nicht zu hohen Eiweissgehalt).
· Um die Absetzzeit vermehrt auf Heufütterung setzen.
· Probiotika (Laktobazillen) und Kräuter verabreichen.
· Keine vorbeugende Fütterung von Antibiotika versuchen.
· Überbesetzung der Ställe vermeiden.
· Haltungsbedingungen verbessern (keine Zugluft; keine zu feuchten Stallungen; staubarmes Heu).
· Kranke Tiere nicht an Ausstellungen schicken.
· Wegen des vermutlich ansteckenden Charakters der Krankheit Tierverkäufe zum Zeitpunkt der Krankheit und der darauf folgenden zwei Monate vermeiden.

Dr. Joseph Rey-Bellet

Dr. Richard Hoop

Tierwelt, Nr. 48

Artikel über Enterocolitis zum Download