Körpersprache der Kaninchen
Verstehen statt vermenschlichen
Tierkommunikation ist in aller Munde. Doch man braucht keinen Tierkommunikator beizuziehen, um seine Kaninchen besser zu verstehen. Es genügt eine gute Beobachtungsgabe, Geduld – und ein kleiner Kurs in „Kaninisch“. An dieser Stelle soll in einigen Folgen die Sprache der Kaninchen vorgestellt werden. Kein „Büffeln“ und Vokabeln lernen, aber viel Freude beim Anwenden im Kaninchenstall!
Tiere sind keine Menschen! Sie leben in einer eigenen Welt mit völlig anderen Prioritäten als wir in unserer hektischen Menschenwelt. Vermenschlichung bringt uns die Tiere nicht näher, sondern entfernt sie von uns. Wir können Tiere nur verstehen, wenn wir sie in ihrer eigenen Würde als Tiere wahrnehmen.
Tiere kennen kein Gestern und kein Morgen, sie leben im Hier und Jetzt. Sie kennen nur Bedürfnisse, die befriedigt sind oder eben nicht. Die Kommunikation unter Kaninchen dreht sich denn vor allem um Einhaltung von Rangordnung und Reviergrenzen, Auseinandersetzungen ums Futter und um bevorzugte Ruheplätze, aber auch Aufforderung zur sozialen Fellpflege. Dazu kommen noch die ganzen Verhaltensweisen rund um die Fortpflanzung.
Kaninchen kennen nur wenige Lautäusserungen, sie kommunizieren vielmehr über Gerüche und mittels einer feinen Körpersprache. Die Welt der Düfte bleibt uns verschlossen, aber die Bedeutung der Körpersprache können wir entschlüsseln. Die Ohren sind dabei wichtige Stimmungsbarometer. Bei Rassen mit Stehohren sind die Signale klar und gut erkennbar, bei Widdern muss man etwas genauer hinschauen. Widder sprechen sozusagen einen anderen Dialekt als stehohrige Kaninchen.
Dialog rund ums Kraulen
Fellpflege ist ein wichtiges soziales Element in Kaninchensippen; rangtiefe Tiere lecken dominanteren das Fell, wenn sie dazu aufgefordert werden. Mit den gleichen Signalen wie ihre wilden Vettern laden uns unsere domestizierten Kaninchen zum Streicheln ein: ein Schnauzenstupser an die Hand, Kopf und Brust werden auf den Boden gesenkt und der kraulenden Hand entgegengestreckt, manche schieben sogar den Kopf ganz unter die Hand ihres Betreuers. Dadurch unterscheidet sich diese Haltung ganz klar vom ängstlichen Auf-den-Boden-ducken, ein ängstliches Tier streckt niemals den Kopf dem Gegenüber entgegen. Das Kaninchen erwartet Streicheleinheiten und es empfiehlt sich, seine Wünsche zu erfüllen. Der erste Schritt zur Kommunikation ist damit gemacht, das Kaninchen ist zufrieden, weil seine Signale verstanden und das Bedürfnis nach Kraulen befriedigt wurde. Oft zeigt es sein Behagen durch leichtes Mahlen mit den Zähnen an.

Soziale Fellpflege: Welches Tier ist dominant, welches unterlegen?
Antwort: das domiante Tier links zeigt den charakteristisch
gesenkten Kopf als Aufforderung zur Fellpflege, das unterlegene
Tier rechts leckt seinem „Chef“ die Nase.
Um den Dialog etwas auszubauen, kann man versuchen, das Kaninchen ebenfalls zur Fellpflege aufzufordern; dazu schiebt man die Hand unter den Kopf des Kaninchens. Einige Kaninchen lecken schnell über die Hand, andere hingegen finden es eine Unverschämtheit und wenden sich ärgerlich oder beleidigt ab. Es gibt Kaninchen, die es nicht so genau nehmen mit der Rangordnung und auch ohne Aufforderung ihrem Menschen die Hand lecken. Das darf man getrost als Zeichen der Zuneigung werten!
Der sprachgewandte Kaninchenhalter kann seinem Liebling Streicheleinheiten anbieten, indem er seine Hand im Abstand von 30 bis 40 cm vor dem Kaninchen auf den Boden hält und leicht kratzende Geräusche damit macht. Wenn das Kaninchen die Einladung zum Kraulen akzeptiert, nähert es sich und senkt den Kopf. Richtet es sich auf oder dreht es sich seitwärts weg, will es nicht gekrault werden. Für die ersten Sprachversuche wählt man am besten ein ruhiges und menschenbezogenes Kaninchen aus, denn aggressive Tiere könnten die Hand als Bedrohung wahrnehmen und beissen.
Text und Bild: Ursula Glauser
Kaninchensprache 1